SCHIEDSRICHTERGRUPPE BAD MERGENTHEIM
2. April 2020 | Klaus T. Mende

Trendwende einleiten - oder Lichter gehen aus

Wie geht es weiter mit dem Schiedsrichterwesen im Fußballbezirk Hohenlohe? Die jüngste Entwicklung gibt berechtigten Anlass zur Sorge: Weder die Gruppe Crailsheim (in Onolzheim) noch die Gilden Künzelsau und Mergentheim (jeweils in Rengershausen) brachten einen Neulingskurs zusammen ? mangels Interesse vonseiten der Vereine wurde beide ersatzlos gestrichen. bei den Obmännern Julian Scheidel (Mergentheim) und Mario Kuhn (Künzelsau) schrillen spätestens jetzt endgültig die Alarmglocken.

Aktuelle Situation

Die aktuelle Situation in der Gruppe Mergentheim sieht derzeit so aus, dass es 72 aktive Referees gibt, von denen 59 anrechenbar sind. Dies sei, so Obmann Julian Scheidel, die geringste Anzahl innerhalb der letzten Dekade. In der Saison 2018/19 stellten zehn Vereine mindestens drei Unparteiische, zwei Clubs hatten fünf, je einer sechs und acht Schiedsrichter. 15 Prozent der Vereine (drei) verfügten über lediglich einen Vertreter der neutralen Zunft ? und ebenso viele hatten gar keinen, der angerechnet wurde. Für Scheidel ein "besorgniserregender Trend", der nur dann gestoppt werden könne, wenn alle an einem Strang ziehen. Zehn Referees leiteten gut 30 Prozent aller Partien in einer Saison ? und das seien bis zu 1500.

Diese Entwicklung werde zwangsläufig "maßgeblichen Einfluss auf die Schiedsrichter-Einteilung der Spiele im Reserven- und Juniorenbereich haben", äußert sich der Obmann im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Die Begegnungen der E- und D-Junioren Bereich in der zweiten Halbserie seien in den vergangenen Spielzeiten zu einem Großteil (bis zu 80 Prozent) von Neulingsabsolventen des Winterkurses geleitet worden. Und wie geht es nun weiter, nachdem kein Kurs zustande gekommen war?

Engpässe zu erwarten

"Es kommt zu Engpässen, die aktuellen Schiedsrichter können das nicht abfangen", blickt Julian Scheidel mit sorgenvoller Miene in die Zukunft. Dies führe zu der Problematik, dass die einteilbaren Referees eigentlich "überqualifiziert" seien. Dies wiederum führe zu einer gewissen Unzufriedenheit bei jenen Pfeifenmännern und -frauen, die nach mehreren Jahren Tätigkeit als 23. Mann lieber in den höheren Nachwuchsklassen oder in den Aktivenklassen eingesetzt werden wollten, "um sich so weiterzuentwickeln". Im Umkehrschluss befürchtet der Obmann einen Entwicklungsstillstand in der Gruppe, was schlussendlich das Resultat mit sich bringen könnte, dass "talentierte Kollegen ihre Pfeife schneller wieder an den Nagel hängen" als man schauen könne. "Wir fallen in einen Teufelskreis, aus dem wir nur sehr schwer wieder rauskommen" ? und all das gehe zulasten der Spiele im Bezirk, die teilweise sogar nicht mehr besetzt werden könnten. Auch dieses Szenario stehe im Raum.

"Wir waren bisher in der Gruppe Mergentheim im Vergleich zu anderen Gilden wirklich gut aufgestellt", erinnert sich Julian Scheidel an bessere Zeiten. Dies sei allerdings nur dann möglich, "wenn wir pro Jahr sechs bis zehn Referees ausbilden". Durch die fehlende Zahl an Neulingen werde es nun eventuell ein Ding der Unmöglichkeit alle Spiele der Dund E-Junioren und der Reserven zu besetzen. "So verändert sich die nun wirklich gute Situation in Mergentheim durch lediglich einen ausfallenden Neulingskurs in eine extrem kritische."

Ganz ähnlich gestaltet sich auch in der benachbarten Gruppe Künzelsau die Lage. Deren Obmann Mario Kuhn ist ebenso alles anderes als "amused". Auch für ihn ist es nicht mehr "fünf vor Zwölf", sondern weit darüber hinaus. Er befürchtet auch für seine Gilde massive Folgen für die Zukunft, wenn die Vereine, gerade jene, die in dieser Hinsicht in der Vergangenheit geschludert haben, aktiv mit dazu beitragen, eine Kehrtwende einzuleiten, indem sie im Club selbst aktiv werden und passionierte Kicker jeden Alters und beiderlei Geschlechts dazu animieren, sich zum Schiedsrichter ausbilden zu lassen. Sollte dies nicht gelingen, werde es zappenduster.

Rund 1500 Partien zu besetzen

Knapp 41 Jahre beträgt der Durchschnittsalter der knapp 90 Referees in Künzelsau, von denen 58 anrechenbar sind. In der Saison 2018/19 galt es, knapp 1500 Partien zu besetzen, was für einen Unparteiischen knapp 30 Partien bedeutete.

Wer einmal die Laufbahn des Spielleiters eingeschlagen hat, bleibt im Allgemeinen lange mit dabei. Doch die Künzelsauer Gruppe hat mit zwei großen Problemen zu kämpfen: Die "mittlere" Schicht zwischen 35 und 45 könnte weitaus besser vertreten sein mit Kickern, die eben ihre aktive Laufbahn beendet haben. Und bei den U 18 hatte es in der letzten Spielzeit lediglich drei Aktive an der Pfeife gegeben. Kuhn spricht von einem "kritischen Bereich".

Wo liegen denn die Gründe für das sinkende Interesse an einer Tätigkeit an der Pfeife? Da sind sich Scheidel und Kuhn einig: Einerseits spiele das nicht mehr stabile Freizeitverhalten der jungen Leute eine übergeordnete Rolle. Weiterhin trage die überwiegend negative Presse über die neutrale Zunft bis hinauf in die Profiligen in erster Linie in den Boulevardmedien, denen es fast ausschließlich um eine reißerische Sensationsberichterstattung gehe, ihren Teil dazu bei. Und zu guter Letzt würden die vielen positiven Seiten und Vorteile zu wenig nach außen kommuniziert.

Freier Eintritt

Wer sich dazu entschließe, bei der neutralen Zunft anzufangen, erhalte Aufwandsentschädigung und Fahrtkostenerstattung, dazu freien Eintritt zu sämtlichen Spielen im Bereich des DFB. Darüber hinaus, so Kuhn und Scheidel unisono, würden Selbstvertrauen und -bewusstsein gefördert, was vor allem in Schule und Beruf von Vorteil sei, es könnten neue Kontakte geknüpft werden, die jungen Referees lernten, Verantwortung zu übernehmen, arbeiteten erfolgreich an ihrer körperlichen Fitness und seien letztlich in der Lage, schnelle Entscheidungen zu treffen und auch in Stresssituationen Ruhe und Übersicht zu bewahren.

Julian Scheidel und Mario Kuhn wollen die Hoffnung keinesfalls aufgeben, dass in absehbarer Zeit eine Trendwende gelingt. Doch dazu müsse der eine oder andere Verein in die Pötte kommen ? bevor die Lichter im Bezirk vollends ausgehen.